Eine Kindergeschichte von Margit Röhm
Es war vor sehr langer Zeit, als die Trolle noch für alle sichtbar waren und die Elfen den Menschen noch Glück brachten. Zu dieser Zeit war es Brauch, dass sich in jedem Jahr eine andere Tiergattung vom Troll einen Wunsch erfüllen lassen durfte. Häufig waren die Tiere sehr unschlüssig und brauchten deshalb lange, bis sie sich für einen Wunsch entschieden hatten, manche gar gerieten über die Schwere der Entscheidung so heftig in Streit, dass sie fortan als Einzelgänger lebten. Andere widerum wußten sehr genau, was sie sich wünschten.
In diesem Jahr sollten die Mäuse sich einen Wunsch erfüllen lassen und sie hatten ihren Wunsch sogleich parat. Seit Anbeginn der Zeiten waren die Mäuse grau, was ihnen gar nicht behagte. Die sprichwörtlich graue Maus wollte nicht zu ihrem Leben passen. Sie waren flink, gewitzt, lustig und feierten gerne fröhliche Feste. Ihr graues Kleid wollten sie deshalb schnellstens loswerden.
Als sie also zum Troll kamen, um ihren Wunsch vorzutragen, konnte dieser sie gut verstehen, denn auch er war für jeden Spass zu haben und eine fröhliche Natur. Mutter Natur freilich sah so etwas gar nicht gerne, sie war der Meinung, dass es gut war, so wie es war. Trotzdem erfüllte der Troll naturgemäß den Mäusen ihren Wunsch und machte sie bunt. Jeden nach seinen eigenen Vorstellungen. Gelbe, rote, blaue Mäuse hüpften und sprangen sogleich aus der Trollhöhle und freuten sich über ihr neues Kleid.
Schon bald aber stellte sich heraus, dass das gar keine gute Idee war. Der Habicht, der Fuchs und der Marder konnten die Mäuse schon von weitem sehen und es gab keine andere Rettung als sich unter die Erde zurückzuziehen. Nun saßen die bunten Mäuse in ihren Löchern und konnten sich weder bei Tag noch bei Nacht heraustrauen. Was nützte ihnen da ihre Farbe, zumal die auch noch so leicht schmutzig wurde. Bei ihrem grauen Fell hatte niemand den Staub und den Schmutz gesehen, der sich im Fell niedersetzte, wenn sie ihre Höhlen gruben. Auf den hellen Farben aber war das sehr häßlich.
So machten sich also die Mäuse schon bald wieder auf, den Troll erneut aufzusuchen, um eine Lösung zu erbitten. Der Troll aber lachte nur und meinte: „wie könnte ich Euch die Farbe wieder nehmen, auch ihr habt nur einen Wunsch frei und den hab ich Euch erfüllt. Geht also und seit glücklich mit dem Ergebnis.“ Die Mäuse wollten diesen Spruch natürlich nicht akzeptieren und flehten den Troll an, Mitleid mit ihnen zu haben. Schließlich könne er es ja nicht gut heißen, wenn die Mäuse ausstürben, nur weil er ihnen einen Wunsch erfüllt habe. Außerdem sei Mutter Erde, die ja auch seine Mutter sei, gar nicht angetan, wenn sie davon erführe. So hatte der Troll doch ein Einsehen, wollte aber seinen Zauber nicht ganz von den Mäusen nehmen, deshalb sann er nach einem Ausweg. Er gab ihnen eine Farbe, wie es ihr Wunsch war, aber eine Farbe, die sie gleichsam tarnte. Das war die Farbe Grün. So wurden die Mäuse allesamt grün. Grün wie das Gras, grün wie die Blätter der Bäume und das Schilf am Ufer des Sees. So schien alles ein glückliches Ende genommen zu haben und so lebten die Mäuse in ihrem neuen, grünen Fell glücklich den ganzen Sommer hindurch. Doch als der Herbst nahte und das Grün der Wiese verblasste, die bunten Blätter fielen und schließlich im Winter der Schnee alles zudeckte, war ihre Freude verflogen. Wieder waren sie für jeden Räuber zu finden und mußten sich Tag und Nacht in ihre unterirdischen Gänge zurückziehen.
Das sah Mutter Erde und war darüber sehr besorgt. Sie ging zu ihrem Sohn dem Troll und schalt ihn, er dürfe das nicht zulassen und solle den Mäusen wieder ihre angestammte Farbe geben. Dieser trug der Mutter gegenüber seine Bedenken vor. Was würde passieren, wenn alle Tiere erführen, dass er den Mäusen ihren Wunsch nicht erfüllt habe? Welchen Ruf würde er im Wald haben. Er könne sich nicht mehr aus der Höhle heraustrauen, wenn er bis zum Neujahrstag keine Lösung für den Wunsch der Mäuse gefunden habe. Doch Mutter Erde beharrte darauf, den Zauber von den Mäusen zu nehmen. So waren die Mäuse fortan wieder grau.
Es kam aber der Tag der Wintersonnenwende, an dem der Troll immer Besuch von seinem Bruder, dem Elfen bekam. Sie setzten sich in die Höhle und erzählten sich, was sie das Jahr über erlebt hatten. Der Elf war gar nicht glücklich. Er war zutiefst besorgt um seinen Schatz. „Es hat sich herumgesprochen, dass am Ende des Regenbogens unsere Schätze vergraben sind. Jetzt machen sich beständig Menschen auf den Weg, den Schatz der Elfen zu suchen und werden auch immer öfter fündig. Womit aber soll ich den Bedürftigen Glück bringen, wenn mir der Schatz gestohlen wird.“
Der Troll wollte gerade in das Gejammer einstimmen und dem Elf berichten, dass er es dieses Jahr erstmals nicht geschafft habe, den Tieren ihren Wunsch zu erfüllen, als ihm die rettende Idee kam.
Sogleich lud er den Rat der Mäuse zu sich ein und machte mit ihnen folgenden Vertrag. Jedesmal wenn ein Regenbogen am Himmel erscheint, dürfen die Mäuse das Ende abknabbern, damit nicht mehr zu sehen sei, wo er auf die Erde aufträfe. Zum Dank, bekämen sie für diesen einen Tag die Farbe, die sie abgeknabbert hätten und würden vom Elf vor den Räubern beschützt. Wenn aber die Sonne unterginge, dann verlören sie auch ihre Farbe und gingen wieder in grau von dannen.
Die Mäuse waren über diesen Beschluss sehr glücklich und stimmten sofort zu. Im Frühjahr, als der erste Regenbogen erschien, machten sie sich auch fleißig ans Werk und knabberten das Ende des Regenbogens ab und wurden sogleich bunt. In ihren farbigen Kleidern feierten sie daraufhin ein fröhliches Fest und tanzten bis die Sonne unterging. Nur im Herbst, wenn die Mäuse ihr Erntedankfest feiern, sind sie so mit ihrem eigenen Fest beschäftigt, dass sie den Regenbogen vergessen. Nur an diesem einen Tag im Jahr, kann man den Schatz der Elfen noch finden. Sofern ein Regenbogen erscheint.