Donnerstag Abend – Sektlaune, plötzlich schneit ein Mann in die Werkstatt, der schon rein optisch nicht zu meinem üblichen Kundenkreis passte. Gut, wir waren verabredet, aber überrascht war ich trotzdem. Er brachte mir eine Tüte Rohwolle, die ich übers Internet von der letztjährigen Schur noch ergattern konnte. Die Tüte mußte sofort inspiziert werden, auch wenn ich mitten im Kurs eigentlich keine Zeit für sowas hab. Das war dann auch ein grober Fehler, nur mal kurz in die Tüte schauen kann eine traurige Fehlinterpretation zur Folge haben. Was ich sah, machte mich stutzig. Ich hatte Wolle vom Rauhwolligen Pommerschen Landschaf erwartet, keine reinrassige aber eben Pommernwolle. Jetzt hatte diese Wolle doch tatsächlcih Locken, hat Pommernwolle Locken? Und das Zeug in der Tüte war, na ja, weiß? Bischen grau vielleicht? Hatte ich mich jetzt bei der Abwicklung so vertan? Na egal, wegstecken und am nächsten Tag nochmal anschauen, schön war die Wolle allemal und sie war nur wenig verschmutzt. Also auf jeden Fall ihr Geld wert.
Freitag brachte das ganze ins Lot. Der Tag hatte stimmungsmäßig nicht so prickelnd angefangen und ich zog mich in die Werkstatt zurück. Traurigerweise sind das oft die produktivsten Tage. Ich also an die Tüte, Vlies raus, umdrehen und staunen. Noch nie hatte ich ein derart dichtes, sauber geschorenes Vlies gesehen. Es war zusammenhängend aber nicht verfilzt. Der Scherer schien seine Arbeit zu versehen und hat das Vlies auch nicht unnötig zerpflückt. Wunderschön lag die Rückseite vor mir.
Was daraus machen. Die Frage stellte sich nur kurz, irgendwie muss Frau auch an den Verkauf denken und da standen nun mal Schafhandpuppe und Sitzfell auf dem Programm, hilft alles nix, der nächste Markt steht schließlich vor der Tür.
Weil ich noch nicht realisiert hatte, wie schön diese Wolle werden würde, hab ich mich erst mal mit Sitzfell vergnügt. Das kam auch der Tatsacht zugute, dass ich am vergangenen Tag zu viel Seife aufgelöst hatte und eine ganze Schüssel Seifenintensivlauge rumstand. Die Rückseite war ja schon sehr vielversprechend, es sollte also zumindest sehr leicht gehen, mit dieser Wolle in Fell zu filzen. Was sich aber beim umdrehen des zusammengefilzten Vlieses zeigte, machte mich sprachlos. Die Wolle war im Untergrund traumhaft grau, super weich und fein lockig. Ein Träumchen. Diese Farbe zeigte sich aber tatsächlich erst beim Filzen, spirch beim Waschen, vorher war dieser Farbton durch Lanolin und Schmutz soweit verdeckt, dass er nur leicht zu erkennen war.
Jetzt bereute ich, diese Wolle für ein profanes Sitzfell verschwendet zu haben, daraus ließ sich sooooo vieles machen. Es waren doch nur 1,5kg und Nachschub nicht in Sicht. Ich hab jedenfalls meine Hausarbeit und den Garten beisteite geschoben und mußte weiter mit dieser Wolle arbeiten. Trotzdem hatte ich noch genug Disziplin eine Handpuppe für den Verkauf zu machen. Sie ist zuckersüß und ich weiß, sie wird nicht lange bei mir sein. Kein Foto diser Welt kann diese lebendigen Locken, diese Farbnuancen auffangen und schon gar nicht diesem Griff und der Weichheit dieser Wolle gerecht werden.
Der Tag war noch nicht zu Ende. Was jetzt mit dem Rest? Der Größte Teil war ja schon verarbeitet und in mir sträubte sich alles, ein schlichtes einfaches Verkaufsprodukt aus dieser Wolle zu machen. Meine Hände haben mir diese Entscheidung dann abgenommen. Als ich so vor mich hin sortiere, die Locken nebeneinander plazierte, da lag plötzlich ein riesiger Bart vor mir, mit riesigem Schnauzer…. Der Tag war gerettet, also für mich, die restlichen Stunden verbrachte ich auch noch in der Werkstatt und ….
Darauf müßt ihr jetzt aber wirklich noch ein bischen warten. Es muss noch fertig werden und vor allem es muss gelingen.
Die Wolle von Schnuckie einem Pommernmix Schaf ist jedenfalls restlos verbraucht. Traurig daran ist, dass es sich um eine Mixrasse handelt und ich voraussichtlich nie mehr an so eine Wolle kommen werde. Es war aber eine sehr schöne Erfahrung und die Produkte bleiben uns ja erhalten. Der Trost war aber nicht weit entfernt. Eine sehr liebe Kundin von mir hat ihre Lager durchsucht und vom vergangenen Jahr noch Wolle für mich ausfindig gemacht. Ein ganzer Sack voll mit „huhuhuhu Freumireinlochinbauch“ Zackelschafwolle in drei Farbtönen. Ich war mir erst nicht sicher, ob das alles Zackelschaf ist. Ich bin mir auch noch nicht sicher, ob es reinrassig ist. Ich bin mir aber sehr sicher, dass die Wolle schöööööönnnnn ist.
Gut, es hat ein Mäuschen drin überwintert, aber darüber wollen wir mal großzügig hinwegsehen.
Dass dann noch das Paket mit Locken vom Gotländischen Pelzschaf hier eintraf, machte den Tag perfekt.
Das war ein schöner Beutetag, der kann wiederkommen. Und die neue Schur kommt ja erst.